Geschichtsrevisionismus in der AfD
Dieser Text wurde veröffentlicht am:
30. August 2024
Mitte Juli verursachte Sven Tritschler, Vizefraktionschef der NRW-AfD, einen außenpolitischen Eklat: In einer Story seines Instagram-Accounts zeigte sich Tritschler während einer Kranzniederlegung am Grab des deutschen Kolonialsoldaten Wilhelm Eduard Richard Heldt in Namibia. Heldt war Bezirkshauptmann der Kolonialtruppen in Swakopmund.
Tritschler, früher selbst Hauptgefreiter bei der Bundeswehr, unterlegte die entsprechende Instagram-Story mit dem Lied „Ich hatt‘ einen Kamerad“. Die Aktion ist als Verherrlichung eines kolonialrassistischen Regimes zu bewerten - deutsche Soldaten hielten die Kolonie Deutsch-Südwestafrrika von 1884 bis 1915 besetzt. Zwischen 1904 und 1908 verübten die deutschen Kolonialtruppen einen Genozid an den dort lebenden Herero und Nama. Etwa 100.000 Menschen wurden dabei getötet. Martin Andjaba, Botschafter der Republik Namibia in Deutschland, legte wegen Tritschlers Aktion formelle Beschwerde beim Auswärtigen Amt ein. Sven Tritschler war mit einer fraktionsübergreifenden Delegation des nordrhein-westfälischen Landtags vom 07. bis 12. Juli in Namibia, um sich der „Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus“ zu widmen. Auf Nachfrage der TAZ klang das bei Tritschler so: „Als deutscher Volksvertreter sah ich mich – im Gegensatz zu meinen Kollegen von den anderen Fraktionen – in der Pflicht, auch einen Kranz am Grab der hier gefallenen deutschen Soldaten niederzulegen. […] Im Übrigen ist die Erzählung von der ‚unschuldigen‘ Herero- und Namabevölkerung, die ‚verbrecherischen‘ deutschen Soldaten zum Opfer gefallen sei, historisch nicht haltbar“. Tritschlers Stellungnahme verdeutlicht seinen Versuch, deutsche Kolonialgeschichte im Rahmen einer Täter-Opfer-Umkehr umdeuten zu wollen.
Auch andere Formen des nationalistischen Geschichtsrevisionismus spielen eine große Rolle in der AfD-Politik: Der Landes- und Fraktionschef der AfD-Thüringen, Björn Höcke, forderte mit Blick auf die NS-Zeit schon 2017 eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. Zuletzt behauptete der AfD-Politiker Maximilian Krah während eines Interviews im Mai, dass nicht alle SS-Mitglieder kriminell gewesen seien. Im selben Monat wurde Björn Höcke vom Landgericht Halle (Saale) zu einer Strafzahlung von 13.000€ verurteilt: Bei einer Wahlkampfrede 2021 hatte er eine verfassungswidrige SA-Parole verwendet. (at)